In den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres pausierte der Aufschwung in der Textil- und Bekleidungsbranche. Im Monat März zog die Konjunktur wieder an. Die Erwartungen der Textil- und Bekleidungsunternehmen an den Frühsommer sind mehrheitlich gross. Mit Corinna Fischer, COO bei der Textilcolor AG, wagen wir einen Blick nach Indien, wo derzeit die Pandemie besonders wütet.

Den vollständigen Konjunkturbericht inkl. Interview finden Sie hier

 Corinna Fischer
CORINNA FISCHER
Textilcolor AG
COO

Die Textilcolor AG ist Spezialistin für Textilchemie – von der Spezialitätenchemie für die Textilindustrie bis zu den Farbstoffen und Pigmenten. Ein global tätiges Unternehmen, vertreten in über 40 Ländern von Brasilien über Marokko bis nach Indien. Die Textilcolor AG gilt als eines der weltweit führenden Unternehmen in der Produktion von nachhaltiger Textilchemie. Sie ist Industriepartnerin von bluesign®technologies.

Als Exporteurin von Textilchemie kann die Textilcolor die Erholung der Textilproduzenten quasi zeitgleich mitverfolgen. Abgesehen von China, welche produzierenden Länder erholen sich am schnellsten?
Wir konnten feststellen, dass sich die Auftragslage bei unseren Kunden in der EU, vor allem in Deutschland, Ungarn und Polen wert- und volumenmässig schneller verbesserte als noch im vierten Quartal 2020. Eine deutliche Steigerung der Aufträge konnten wir durch unsere Kunden in Südamerika, Indien und Russland erfahren. Die Nachfrage durch unsere Schweizer Kundschaft verhielt sich stabil mit leicht steigender Tendenz. Leider stecken unsere Kunden aus nordafrikanischen Ländern immer noch tief in der Corona-Krise, was sich von einer sehr geringen Nachfrageaktivität ableiten lässt.

In Indien wütet die Pandemie derzeit besonders schlimm. Inwiefern tangiert dies die indische Textilproduktion?
Wir verfolgen die Situation in Indien mit grosser Sorge, weil die Dunkelziffer der Infizierten wohl noch höher liegt, als in den Medien kommuniziert wird und weil die wirtschaftlichen Konsequenzen für die nächsten Monate nicht einschätzbar sind. Da unsere langjährigen indischen Kunden mehrheitlich für den amerikanischen Markt produzieren, entwickelte sich die Auftragslage seit Anfang 2021 sehr positiv für die Textilcolor. Aufgrund des Lockdowns in Indien sind wir nun mit der Situation konfrontiert, dass Schiffscontainer an den indischen Häfen nur mit Verzögerungen abgefertigt werden. Insgesamt ist die logistische Kette zum Kunden derzeit schwierig zu kontrollieren. Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Lage in Indien kurzfristig beruhigen wird.

Sie produzieren Textilchemie für diverse Anwendungen wie Farbstoffe für die Bekleidung oder Chemikalien für die Beschichtung. Gibt es Unterschiede, wie sich die einzelnen Textilzweige derzeit entwickeln?
Bereits im letzten Jahr, aber auch während der vergangenen Monate haben wir festgestellt, dass alle Textilhilfsmittel, die für Beschichtungen eingesetzt werden können, einer deutlich erhöhten Nachfrage unterliegen. Die Einsatzbereiche gestalten sich unterschiedlich: beginnend mit Stoffen für den Mund-Nasen-Schutz bis zu Textilien für Arbeits- und Schutzbekleidung.

Die Schweizer Textil- und Bekleidungsunternehmen beklagen derzeit die massiv gestiegenen Rohstoffpreise und Transportkosten. Wie verhalten sich die Preise bei Ihnen und was sind die Gründe?
Seit einigen Wochen werden wir täglich mit Preiserhöhungen durch unsere Vorlieferanten und Dienstleister konfrontiert, verursacht durch die Verknappung von Rohstoffen, die geringe Verfügbarkeiten von Zwischenprodukten und den logistischen Unterbruch von Lieferketten. Aufgrund der eingebrochenen Nachfrage haben im letzten Jahr einige Vorlieferanten ihre Produktionskapazitäten deutlich reduziert. Nun steigt die Nachfrage viel schneller als angenommen und die erforderlichen Produktionskapazitäten sind nicht bereit. Gleichzeitig ist die weltweite Logistik, vor allem bei der Seefracht, aus dem «Ruder gelaufen». Containerschiffe treffen mit grossen Verspätungen in den Häfen ein und werden mit Verzögerung abgewickelt. Auf den Hauptrouten haben sich die Seefrachtraten deshalb um ein Vielfaches erhöht. Wir haben reagiert und die Produktpreise punktuell angepasst. Eine kurzfristige Entspannung der Preisentwicklungen sehen wir eher nicht.

Wie sind Ihre Erwartungen bezüglich der Entwicklung des Geschäfts für den Frühsommer?
Wir erwarten einen Nachholbedarf im textilen Bereich: Sobald alle Detailhändler in den europäischen Ländern wieder ohne Restriktionen verkaufen dürfen, sobald Menschen wieder zu touristischen Zwecken reisen dürfen und sobald wieder Veranstaltungen stattfinden dürfen, werden auch wieder textile Produkte verkauft. Entsprechend wird sich die Nachfrage bei unseren Kunden verbessern und folglich auch bei der Textilcolor. Ob dies aber bereits im Frühsommer der Fall sein wird, hängt vom Zeitpunkt der Lockerungsmassnahmen und den Impffortschritten in den europäischen Ländern ab. Eine Prognose abzugeben ist derzeit sehr schwierig.

Wir danken Corinna Fischer herzlich für das Interview.